Mit Helicobacter pylori seltener eosinophile Ösophagitis

Der Helicobacter pylori hat einen miesen Ruf. Aber Studien zeigen: Wer H. pylori hat, bekommt seltener eosinophile Ösophagitis! Es ist ein Paradebeispiel für die komplexe Koexistenz zwischen Mensch und Mikrobe. In Einzelfällen kann er tatsächlich nützliche Nebenwirkungen haben.

Bakterieller Erreger im menschlichen Magen: Helicobacter pylori unter der Lupe

Der Helicobacter pylori (H. pylori) hat einen einem ambivalenten Ruf als einer der wichtigsten bakteriellen Erreger im menschlichen Magen: Einerseits ist er in der Bevölkerung sehr weit verbreitet, andererseits birgt er ein erhebliches Krankheitsrisiko.

Das Stehaufmännchen unter den Bakterien liebt die saure Umgebung des Magens und kommt mit wenig Sauerstoff aus. Dank seiner spiraligen Form und seinen Flagellen bewegt es sich geschickt durch den zähen Magenschleim. Dort nistet es sich ein und bleibt oft über Jahre unbemerkt.

Das Bakterium produziert Enzyme wie Urease, die die Magensäure neutralisieren und ihm das Überleben sichern. Seine Membranproteine helfen beim Andocken an die Magenschleimhaut, was die Grundlage für chronische Entzündungen bildet.

Wenn Helicobacter pylori Ärger macht

Einmal im Magen, kann Helicobacter pylori für allerlei Turbulenzen sorgen:

  • Magenschleimhautentzündung (Gastritis): Chronische Infektion führt oft zu einer anhaltenden Entzündung.
  • Magengeschwüre und Zwölffingerdarmgeschwüre: H. pylori ist die Hauptursache dieser Ulzera.
  • Magenkrebs (Adenokarzinom): Das Bakterium gilt als Karzinogen der Gruppe I laut WHO – also definitiv krebserregend.
  • MALT-Lymphom: Ein seltener Magentumor, der durch die Infektion entstehen kann.

Doch nicht nur der Magen leidet. Eine Infektion mit Helicobacter pylori kann auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt erhöhen.

Schützt der Helicobacter pylori vor Allergien?
Wer Helicobacter pylori hat, bekommt seltener eosinophile Ösophagitis

Mögliche Schutzwirkung vor saurem Aufstoßen (Reflux) und Speiseröhrenkrebs?

Klingt paradox, ist aber wissenschaftlich belegt: Menschen mit einer Helicobacter-pylori-Infektion leiden seltener an Refluxkrankheit (Sodbrennen) als Menschen ohne das Bakterium. Der Grund ist simpel: Bestimmte Stämme von H. pylori führen langfristig zu einer Reduktion der Magensäure. Weniger Säure bedeutet weniger Rückfluss in die Speiseröhre und somit weniger Beschwerden wie Sodbrennen.

Noch spannender wird es beim Thema Speiseröhrenkrebs. Große Studien zeigen, dass eine Infektion mit Helicobacter pylori das Risiko für Adenokarzinome der Speiseröhre deutlich senkt – um bis zu 45 Prozent im Vergleich zu Nicht-Infizierten. Der Rückgang der Infektionsraten in westlichen Ländern geht mit einem Anstieg von Speiseröhrenkrebs einher.

Kleine Keime, großer Einfluss aufs Immunsystem: Allergien und Asthma

Helicobacter pylori hat noch einen weiteren überraschenden Effekt: Es scheint das Immunsystem zu beeinflussen und das Risiko für Allergien und Asthma zu senken. Kinder mit einer frühen Infektion entwickeln deutlich seltener Asthma oder Heuschnupfen als Gleichaltrige ohne das Bakterium.

Wissenschaftler führen das auf die sogenannte Hygiene-Hypothese zurück: Kinder, die mit H. pylori infiziert sind, entwickeln seltener Asthma, Heuschnupfen oder Nahrungsmittelallergien. Der Keim könnte die Balance zwischen unterschiedlichen Immunzelltypen verschieben, insbesondere zwischen TH1- und TH2-Zellen. Letztere sind wesentlich an der Entstehung allergischer Reaktionen beteiligt.

Helicobacter pylori hält das Immunsystem auf Trab und könnte so vor Überreaktionen schützen.

Bakterium senkt Risiko für eosinophile Ösophagitis (EoE)

Bei Menschen mit eosinophiler Ösophagitis ist dieses Mikrobiom verändert. Es finden sich bestimmte Bakterien gehäuft, andere seltener. Ob diese Veränderungen Ursache oder Folge der Erkrankung sind, ist noch unklar.

Wer das Bakterium im Magen hat, entwickelt seltener eine EoE – und je stärker die Immunantwort gegen Helicobacter, desto geringer das Risiko. Das heißt: Wer H. pylori nicht hat, hat ein höheres Risiko, an EoE zu erkranken.

Eine große Analyse von Gewebeproben ergab: Je mehr eosinophile Granulozyten in der Speiseröhre, desto seltener fand sich Helicobacter pylori im Magen. Auch genetische Studien bestätigen: Menschen mit hohen Spiegeln an Antikörpern gegen Helicobacter pylori sind deutlich seltener von EoE betroffen.

Interessanterweise scheinen bestimmte Entzündungsstoffe (wie IL-4, IL-5, IL-13, IL-17 und IFN-γ) nicht die Vermittler dieser Schutzwirkung zu sein.

H. pylori könnte das Immunsystem in Richtung einer TH1-dominierten Immunantwort lenken. EoE ist eine typische TH2-dominierte Erkrankung, bei der die Immunantwort auf eigentlich harmlose Reize wie bestimmte Nahrungsmittel übertrieben ausfällt. Hier könnte H. pylori als immunmodulierender Faktor eingreifen und die Überreaktion dämpfen. Die genauen Mechanismen sind noch nicht abschließend geklärt, aber die epidemiologischen Daten sprechen eine deutliche Sprache.

Kurzer Vergleich: Helicobacter pylori vs. eosinophile Ösophagitis

MerkmalHelicobacter pyloriEosinophile Ösophagitis (EoE)
UrsacheBakterium im MagenImmunreaktion in der Speiseröhre
HauptsymptomeMagenschmerzen, Übelkeit, GeschwüreSchluckbeschwerden, Sodbrennen
FolgenGastritis, Ulcus, MagenkrebsVerengung der Speiseröhre
SchutzwirkungGegen Reflux, Speiseröhrenkrebs, EoEKeine
ZusammenhangSenkt EoE-RisikoTritt häufiger ohne H. pylori auf

Keimfrei um jeden Preis?

Die routinemäßige Entfernung von H. pylori bei positivem Nachweis ist gängige Praxis, vor allem bei Beschwerden oder Risikofaktoren für Magenkrankheiten. Doch angesichts der möglichen Schutzwirkungen wird die Strategie zunehmend hinterfragt.

Es stellt sich die Frage: Sollte man bei symptomlosen Trägern immer zur Eradikation greifen? Oder wäre ein gezielteres Vorgehen sinnvoller, bei dem nur bestimmte Risikopatienten behandelt werden? Sicher ist nur: Das Gleichgewicht zwischen Schädigung und Nutzen von Mikroorganismen ist komplexer, als lange angenommen.

Helicobacter pylori – Freund oder Feind?

Helicobacter pylori ist kein harmloser Mitbewohner – die Risiken für Magen und Kreislauf sind real. Doch das Bakterium ist auch ein Beispiel dafür, wie komplex das Zusammenspiel zwischen Mikroorganismen und Immunsystem ist. Die eosinophile Ösophagitis zeigt, wie das Fehlen eines „alten Bekannten“ das Gleichgewicht stören kann.

Die Forschung steht noch am Anfang, aber der Perspektivwechsel ist bereits in vollem Gange: Statt nur auf Ausrottung zu setzen, rückt das gezielte Verständnis mikrobieller Mitbewohner immer mehr in den Fokus.

FAQ

Kann H. pylori eine eosinophile Ösophagitis verursachen?

Nein, derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass Helicobacter pylori eine eosinophile Ösophagitis auslöst. Im Gegenteil: Menschen mit H. pylori scheinen seltener an dieser Erkrankung zu leiden.

Was triggert Helicobacter pylori?

Das Bakterium selbst wird meist schon in der Kindheit aufgenommen. Es wird hauptsächlich durch direkten Kontakt, meist über Speichel oder kontaminierte Lebensmittel und Wasser, übertragen. Risikofaktoren sind schlechte Hygiene, beengte Wohnverhältnisse und mangelnde sanitäre Einrichtungen.

Kann Helicobacter von Stress kommen?

Stress allein verursacht keine Helicobacter-pylori-Infektion. Allerdings kann Stress die Magenschleimhaut schwächen und so die Symptome einer bestehenden Infektion verstärken. Ein geschwächtes Immunsystem macht es dem Bakterium leichter, sich zu behaupten.

Quellen

Kann Helicobacter Pylori Reflux verursachen?

Helicobacter Pylori und Krebs

Weniger Allergien bei H. Pylori-Infekt

Inverse association of esophageal eosinophilia with Helicobacter pylori based on analysis of a US pathology database

Causality of Helicobacter pylori infection on eosinophilic esophagitis and potential pathogenesis: a Mendelian randomization study

Inverse Korrelation von Helicobacter pylori und eosinophiler Ösophagitis

Signaltransduktion von Helicobacter pylori in der Interaktion mit dem menschlichen Immunsystem