Glyphosat als eine Ursache für Eosinophile Ösophagitis (EoE)?

Glyphosat – ein Name, der in Diskussionen über Umwelt und Gesundheit immer wieder auftaucht. Seit Jahrzehnten gehört dieser Wirkstoff zu den am häufigsten eingesetzten Herbiziden weltweit. Gleichzeitig mehren sich Berichte über chronische Krankheiten, darunter auch die eosinophile Ösophagitis (EoE). Manche Wissenschaftler vermuten, Glyphosat könnte bei der Entstehung von EoE eine Rolle spielen. Die Beweise sind bislang dünn, aber einige Mechanismen erscheinen biologisch plausibel.

Retinsäure, gestörte Enzyme und eine entzündete Speiseröhre: Wie Glyphosat den Körper aus dem Takt bringen könnte

Glyphosat bleibt nicht einfach in der Pflanze, auf die es gesprüht wird. Im Körper beeinflusst möglicherweise wichtige Stoffwechselwege. Besonders betroffen: die sogenannten Cytochrom-P450-Enzyme (CYP-Enzyme). Diese Enzyme erledigen zentrale Aufgaben, etwa beim Abbau von Giften und Medikamenten – aber auch bei der Aktivierung von Retinsäure, einer Form von Vitamin A.

Retinsäure spielt eine Schlüsselrolle in der Regulation von Entzündungsprozessen. Wird die Umwandlung von Vitamin A zu Retinsäure gestört, schwächt das die Barrierefunktion von Schleimhäuten – darunter auch die der Speiseröhre. Ohne diese Schutzschicht wird die Schleimhaut anfälliger für Entzündungen und allergische Reaktionen. Genau das ist bei eosinophiler Ösophagitis der Fall.

Glyphosat hemmt in Laborversuchen bestimmte CYP-Enzyme. Zwar fehlen noch direkte Studien an Menschen, doch im Tierversuch führte eine Hemmung dieser Enzyme zu einer verstärkten Entzündungsbereitschaft der Schleimhäute.

Glyphosat als eine Ursache für Eosinophile Ösophagitis (EoE)?

Glyphosat killt nicht nur Unkraut – sondern auch Darmbakterien?

Ein weiterer Verdacht richtet sich auf die Auswirkungen von Glyphosat auf die Darmflora. Das Herbizid blockiert das Shikimat-Stoffwechselweg – ein Stoffwechselweg, den Pflanzen und viele Bakterien brauchen, der aber im menschlichen Körper selbst nicht vorkommt. Das Problem: Viele nützliche Darmbakterien nutzen diesen Weg.

Wenn Glyphosat diese Bakterien schädigt, kippt das Gleichgewicht im Darm. Studien zeigen, dass Glyphosat das Wachstum von Lactobacillus und Bifidobacterium hemmt – Bakterien, die normalerweise Entzündungen bremsen. Gleichzeitig profitieren schädliche Keime wie Clostridium oder Salmonella.

Eine gestörte Darmflora steht im Verdacht, Allergien und chronische Entzündungen zu begünstigen. Eine solche Dysbiose wird mit dem „Leaky Gut“-Syndrom und einer Immunaktivierung in Verbindung gebracht, die bei EoE beobachtet werden. Eine gestörte Barrierefunktion des Darms verstärkt die Exposition gegenüber Nahrungsmittelantigenen, einem bekannten Auslöser für eosinophile Ösophagitis.

Mineralräuber Glyphosat: Warum Nährstoffmangel ein Einfallstor für Entzündungen sein kann

Glyphosat kann Mineralstoffe binden – ein Phänomen, das Chemiker Chelatbildung nennen. Besonders betroffen sind wichtige Spurenelemente wie Zink, Mangan, Eisen und Magnesium. Diese Mineralstoffe braucht der Körper, um Enzyme zu aktivieren, das Immunsystem zu steuern und Schleimhäute gesund zu halten.

Wenn Glyphosat Mineralien bindet, werden sie schlechter aufgenommen. In Pflanzen bedeutet das oft eine verminderte Nährstoffdichte. Im menschlichen Körper könnte ein chronischer Mangel an diesen Mineralstoffen die Immunabwehr schwächen und Entzündungsreaktionen verstärken.

Mehrere Studien berichten, dass Patienten mit eosinophiler Ösophagitis häufiger Defizite bei Zink zeigen. Auch Eisenmangel ist bei EoE-Patienten weit verbreitet und verschlechtert die Integrität der Schleimhaut. Hier ergibt sich ein mögliches Puzzlestück: Das Herbizid könnte über Nährstoffmangel die Entstehung oder Verschlimmerung von EoE fördern.

Mehr Glyphosat, mehr eosinophile Ösophagitis?

Seit den 1990er Jahren schießen die Diagnosen von EoE in die Höhe – eine Zeitspanne, die auffällig gut mit dem sprunghaften Anstieg der Glyphosatnutzung zusammenpasst. Ländliche Gebiete mit höherem Glyphosateinsatz weisen ein erhöhtes Risiko für Ösophagus-Eosinophilie auf. Natürlich ist Korrelation noch keine Kausalität.

Frühkindliche Umweltfaktoren (z. B. Antibiotikaeinsatz, Säuresuppression), die mit EoE in Verbindung gebracht werden, stimmen mit den vorgeschlagenen Auswirkungen von Glyphosat auf die Entwicklung des Mikrobioms überein.

Bisher beweist keine Humanstudie den Zusammenhang

So plausibel manche Mechanismen auch erscheinen: Derzeit existiert keine einzige Studie, die eindeutig beweist, dass Glyphosat eosinophile Ösophagitis verursacht. Es gibt Laborergebnisse, Tiermodelle, ökologische Zusammenhänge – aber keine Humanstudie.

Lebensmittel, die häufig mit Glyphosat kontaminiert sind

Wer Glyphosat meiden will, muss wissen, wo es besonders häufig lauert. Der größte Teil der Belastung stammt nicht aus Obst und Gemüse, sondern aus Getreideprodukte und Hülsenfrüchte. Der Grund: Glyphosat wird oft als sogenanntes Sikkationsmittel verwendet – also kurz vor der Ernte gespritzt, um die Pflanzen gleichmäßig absterben zu lassen.

Besonders belastete Lebensmittel sind:

Biologisch erzeugte Produkte weisen im Schnitt deutlich geringere Rückstände des Herbizids auf, bieten aber keinen 100-prozentigen Schutz – Umweltkontamination bleibt ein Thema.


Wie gelangt Glyphosat in den menschlichen Körper?

Vor allem über die Nahrung. Rückstände finden sich häufig in Getreideprodukten, Hülsenfrüchten und verarbeiteten Lebensmitteln. Auch Trinkwasser kann in seltenen Fällen belastet sein.

Ist das Trinkwasser mit Glyphosat belastet?

Glyphosat ist extrem wasserlöslich. Wenn es auf Feldern, Wiesen oder Straßenrändern gespritzt wird, kann es vom Regen ins Grundwasser oder in Oberflächengewässer (Seen, Flüsse) gespült werden. Von dort aus kann es – je nach Wasseraufbereitung – in unser Trinkwasser gelangen.
In Deutschland ist Trinkwasser in der Regel sehr streng kontrolliert. Der gesetzliche Grenzwert für Pestizide im Trinkwasser liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter – extrem niedrig. Für Glyphosat gibt es keinen eigenen, höheren Grenzwert, es gilt die allgemeine Pestizidregelung.

Wird Glyphosat im Weinanbau eingesetzt?

In vielen konventionellen Weinbergen spritzen Winzer Glyphosat direkt unter die Rebstöcke, um Unkraut (besser gesagt: Beikräuter) zu vernichten. Rückstände können tatsächlich in Trauben und damit im fertigen Wein landen. Allerdings meist in sehr kleinen Mengen, oft unter den gesetzlichen Grenzwerten. Wer sicher gehen will, sollte zu zertifiziertem Bio-Wein greifen.

Welche Rolle spielt das Mikrobiom bei eosinophiler Ösophagitis?

Ein gesundes Mikrobiom schützt vor allergischen Entzündungen. Bei EoE-Patienten zeigt sich oft eine gestörte Darmflora. Glyphosat könnte diese Störung mitverursachen.

Ist in Waschmitteln Glyphosat?

Laut Umweltchemikerin Prof. Carolin Huhn könnten Phosphonate wie DTPMP – gängige Wasserenthärter in Waschmitteln – durch Bakterien in der Kanalisation oder Kläranlage zu Glyphosat abgebaut werden. Diese Hypothese stellt eine mögliche neue Quelle für Glyphosatbelastung in Gewässern dar, unabhängig von der Landwirtschaft.


Quellen

Esophageal eosinophilia is increased in rural areas with low population density: Results from a national pathology database

Glyphosate, pathways to modern diseases II: Celiac sprue and gluten intolerance

Environmental factors and eosinophilic esophagitis

Eosinophilic Esophagitis (EoE) – with Dr. Evan Dellon

The Impact of Early Life Exposure to Glyphosate

Gluten or Glyphosate? Part 3 Interview with Dr. Seneff

Is Autism a PIN1 Deficiency Syndrome? A Proposed Etiological Role for Glyphosate

Glyphosat in Gewässern: Tübinger Forscherin sieht Waschmittel als Quelle